Über die Fotografie von Iwajla Klinke

Von Heinz-Norbert Jocks

Ihre eindrücklichen Fotoporträts junger Menschen vor schwarzem Hintergrund, denen oft etwas sowohl Majestätisches als auch Entrücktes anhaftet, wirken wie aus der Zeit gefallen oder so, als gehörten sie einer anderen Epoche und Kultur oder gar mehreren Kulturen an.
Und doch entstammen sie unserer Zeit und sind somit zeitgenössisch, aber auf eine gegengängige Weise und anders, als der Geist des Zeitgenössischen es erwartet. Bei diesen sich der Vereindeutigung entziehenden Porträts von Iwajla Klinke handelt es sich letztendlich um Hybride, insofern unterschiedliche metaphorische, im Realen unverknüpfte Bedeutungsebenen synthetisiert werden, und zwar so subtil und mit Raffinesse, dass sie, unsere gewohnten Blickkonzepte irritierend und außer Kraft setzend, zu einem Sehen ohne
Ufer und Grenzen einladen. Wir blicken beispielsweise auf eine Trauerprozession, bei der Jungen in Rot zwar biblische Judäer darstellen, aber die Fashion-Wahrzeichen ihrer Generation wie Nike und Adidas, tragen. Sie haben sich Masken fabriziert, auf denen die Jetztzeit mit der Vergangenheit korrespondiert und Chicago Bulls neben Totemtieren aus Mexiko auf biblische Figuren treffen.
Die Porträts, die von starker Sinnlichkeit zeugen, markieren Zwischenzeiten und
Zwischenräume. Sie wirken dabei wie befremdende Gedichte an die Dauer, insofern sie das Aktuelle, allzu Aktuelle transzendieren und auf das sowohl inhaltliche als auch ästhetische Surplus noch gelebter Traditionen und Bräuche verweisen. Die durch die schwarze Kulisse suggerierte Ortlosigkeit korreliert dabei mit der Macht der Zeitlosigkeit.
Nicht selten sind die Gesichter hinter Masken verborgen, oder von den Körpern in zeremoniellen Gewändern, auf dem Erdboden liegend, nur die Rückenansicht zu erkennen.
Bereits auf den ersten Blick ist klar, hier geht es weder um Psychologisierung noch um Einblicke in die Innenwelt der „Dargestellten“ und auch nicht um das einzelne Individuum, vielmehr um den Einzelnen als Repräsentant von etwas Größerem sowie um die Übergänge, die Menschen passieren und Verwandlung bedeuten.